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Zeitschrift für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft Band 67. Heft 1

Schwerpunkt: Moral-Kunst: Darf Kunst moralisch sein?


Zeitschrift für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft (ZÄK) 67/1. 2022. 156 Seiten
978-3-7873-4308-9. E-Book (PDF)
DOI: 10.28937/978-3-7873-4308-9
EUR 94,00


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Abstracts

Schmücker, Reinhold, Theisohn, Philipp: Moral-Kunst · Kunst-Moral Darf Kunst moralisch sein? · Muss Kunst moralisch sein? Zur Einführung.

Giezendanner, Urs: Dienst der Dichtung. Zur Moral der Poetik im Umfeld von Gottscheds Critischer Dichtkunst.

Dichtung funktional als Medium moralischer Erziehung zu konzeptualisieren, gehört zweifelsohne zu den Kernanliegen der deutschen Aufklärungspoetik. So umfassend dieser historisch spezifische Nexus von Literatur und Moral(-didaktik)
unter sozialgeschichtlichen sowie kulturtheoretischen Blickwinkeln bisher rekonstruiert wurde, so ungeklärt bleiben nach wie vor viele der allgemeineren ästhetisch-poetologischen Implikationen und Probleme dieses vordergründig harmonischen,
tatsächlich aber prekären Zweckbündnisses. So weist dieser Aufsatz am Beispiel von Gottscheds Critischer Dichtkunst und dem Trauerspiel Agis, König zu Sparta eine irreduzible Spannung von dichterischer Fülle und moralischer Komplexitätsreduktion
nach, die das Projekt einer literarisch vermittelten Sittenlehre zu einem aporetischen Unterfangen geraten lässt. Denn während sich diese Polarität zwar theoretisch noch – notdürftig – über die Konzepte der anschauenden Erkenntnis und der Exemplarizität vermitteln und in ein Evidenzversprechen umformulieren lässt, offenbart Gottscheds Tragödienschaffen die praktischen Schwierigkeiten einer moralischen Literatur, die ästhetische Komplexität im selben Zug immer schon produzieren und aufheben muss.

Tränkle, Sebastian: Die amoralische Moralität der Kunst Oscar Wildes negativer Perfektionismus.

Gegenwärtig werden häufig politisch-moralische Ansprüche an die Kunst gerichtet. Dieser Aufsatz tritt ihnen unter Verweis auf ihren grundsätzlichen Konflikt mit ästhetischen Ansprüchen entgegen. Anhand von Oscar Wildes ästhetisch-theoretischen
Überlegungen entfaltet er die folgende These: Nicht indem Kunst sich an herrschenden Moralvorstellungen ausrichtet, sondern erst vermittelt durch die Amoralität ihrer ästhetischen Form wächst ihr ein sittliches Moment zu. Der erste Teil widmet sich Wildes Verteidigung des Lügens in der Kunst, die auf ein Plädoyer für deren gesellschaftliche Amoralität hinausläuft. Sie wird zugleich als Bedingung einer genuin ästhetischen Moralität verstanden. Der zweite Teil arbeitet die außerästhetischen Bezüge dieser ästhetischen Moralität heraus: die kritischen und die perfektionistischen Implikationen des ästhetischen Lügens. Den ästhetisch orientierten ethischen Perfektionismus Wildes bestimmt der dritte Teil als negativen und hebt ihn vom ästhetischen Selbstoptimierungsimperativ der Gegenwart ab.

Quent, Marcus: Amoral der Form. Zur Moral der zeitgenössischen Kunst.

Der Beitrag untersucht den Zusammenhang von Kunst und Moral ausgehend von zwei Tendenzen der zeitgenössischen Kunst. Beide Tendenzen betreffen den Status der ästhetischen Form und zeigen eine geänderte Stoßrichtung des moralischen
Urteils an. Diese Entwicklungen werden im Rückgriff auf die Ästhetische Theorie Theodor W. Adornos beleuchtet, in der das Moralproblem der Kunst als Problem der ästhetischen Form entwickelt wird. Für die Ästhetische Theorie ist ein
Gegensatz entscheidend: Adorno begreift die herrschaftliche Arbeit des Formens als Amoral der Kunst, zugleich denkt er das Ideal des Durchgeformten als eine Teilhabe der Kunst an der Moral. Schuld und Schuldlosigkeit sind in der ästhetischen Form ineinander verwoben. Die Kunst artikuliert jedoch zugleich einen ›Einspruch gegen Moral‹, durch den das Verhältnis von Form und Moral als ein Kontinuum der Grausamkeit kenntlich wird. Der Beitrag schließt, indem er dieses dialektische Verhältnis auf die zeitgenössische Kunst zurückbezieht: Wo sich der Formbegriff heute als ausgehöhlt erweist, Universalisierung und Abschaffung des Formbegriffs tendenziell ineinander fallen, wird der grausame Gestus der Kunst unannehmbar. Das Schuldhafte der Form tritt in den Vordergrund.

Rosenkranz, Marie: Konstruktive Zerstörung. Eine Fallstudie zur Performativität kunstaktivistischer Praxis in der Klimakrise.

In Siegen wurde ein Baum gefällt – im Namen der Kunst. Dabei ging es darum, eine klimapolitische Diskussion zu provozieren. Am Beispiel der Kunstaktion Die Antuung des Kollektivs ›Manege‹ untersucht dieser Beitrag, wie mit kunstaktivistischen
Praktiken moralische Hybris sichtbar gemacht werden kann und wie die Kunst damit zugleich selbst in ein Feld ethischer Rezeptionsweisen gerät. Auf einer zweiten Ebene wird entlang der Reaktionen auf Die Antuung erörtert, wie kunstaktivistische
Praktiken über den Begriff der Moralisierung vonseiten ihrer Kritikerinnen und Kritiker delegitimiert werden. Der Beitrag folgt einem praxistheoretischen Ansatz, der nach dem Charakter und der Performativität kunstaktivistischer Praktiken im klimapolitischen Zusammenhang fragt.

Bleek, Jennifer: Wahrnehmung ≠ Form. Konrad Fiedler und das Prinzip Arabeske.

Ausgehend von Konrad Fiedlers Theorie des menschlichen Sehens gilt dieser Aufsatz dem Unterschied zwischen Wahrnehmung und Form am Beispiel der Arabeske. Um Phänomene der Wirklichkeit genauer zu erfassen und das Sehen selbst
zu erhellen, wird hier auf die Strukturierungsfähigkeit der Arabeske rekurriert. Bei Fiedler ist in diesem Kontext der Begriff der Ausdrucksbewegung zentral. Diese ist in seinen Augen ein kreativer Prozess, in dem die künstlerische Aneignung
von Wirklichkeit eine Entwicklung erf ährt. Diese kann sie laut Fiedler nur über die künstlerische Tätigkeit erfahren, die sich aus dem Zusammenspiel von Auge und Hand – visueller Kognition und manueller Fertigkeit – ergibt. Das Resultat
ist ein Sichtbares, das anders verfasst ist als die optisch sichtbare Natur. Das künstlerische Werk erlangt über das Spiegeln der Realität hinausgehend einen Grad der Autonomie. Es scheint möglich, Fiedlers Zugang zu Wahrnehmungsvorgängen
in der Kunst in die Tradition der Arabeske als Reflexionsform von Wirklichkeit einzuordnen. In Fiedlers Theorie gibt es analoge Ansätze des Denkens.

Meyer, Kira: Die Rolle von Atmosphären in der Naturästhetik.

Atmosphären stellen in der Naturästhetik mittlerweile ein zentrales Konzept dar. Der Beitrag gibt einen Überblick über den gegenwärtigen Stand dieses stetig anwachsenden Forschungsfeldes. Beginnend mit Hermann Schmitz, der den Atmosphären-
Begriff in die philosophische Diskussion eingeführt hat, werden die naturästhetischen Ansätze von Gernot Böhme, Martin Seel, Angelika Krebs und Hartmut Rosa vertiefter in den Blick genommen und kritisch analysiert. Weitere Neuentwicklungen wie die Berücksichtigung des Wetters sowie die Rolle von Atmosphären in verwandten Forschungsgebieten wie der Alltagsästhetik und ÖkoÄsthetik werden herausgearbeitet. Vor dem Hintergrund dieses Forschungsüberblickes und der geübten Kritik, unter anderem am Projektionismus der Position von Krebs, ergeben sich drei zentrale Probleme: (1) die Frage nach dem ontologischen Status von Atmosphären, (2) die Aufgabe einer (Neu-)Bestimmung der Ästhetik sowie (3) das Verhältnis von Naturästhetik und Phänomenologie zur Ethik.

Daum, Lukas: Handlung, Fiktion, Motivation Neue Ansätze in der Ethik des Computerspiels.

Besprechungen.

Früchtl, Josef: Nachruf auf Gernot Böhme (1937 - 2022).