Zeittafel zum Leben Leonard Nelsons. Lebensdaten und Veröffentlichungen.
Entnommen dem Band: Vom Selbstvertrauen der Vernunft (PhB 288)
Die in Klammern gesetzten römischen Ziffern nennen die Nummer des Bandes der Gesammelten Schriften von Leonard Nelson, in dem die betreffenden Arbeiten zu finden sind.
1882: Geboren am 11.7. in Berlin. Sein Vater war Rechtsanwalt und betätigte sich schriftstellerisch. Seine Mutter war eine begabte Malerin und stammte aus einer Familie bedeutender Wissenschaftler.
1896: Aus Anlaß seiner Konfirmation erhält Nelson ein Buch geschenkt, das ihn auf Kant, Fries und Apelt hinlenkt.
1901: Abitur nach für ihn trostloser Schulzeit: »Was die Schattenseiten der Schuljahre betrifft, so glaube ich, daß sie weniger auf Rechnung des Zwanges an sich als gerade auf den Mangel an wahrer geistiger (und körperlicher) Beschäftigung und die Abspeisung mit mechanischem und totem Lehrstoff kommen.« (Brief Nelsons vom 22. 7. 01)
»Auf die sogenannte „allgemeine Bildung“ lege ich sehr wenig Wert und halte es für sehr viel besser selbst zu denken, als sich den Kopf mit fremden Gedanken anzufüllen . . . Allerdings kommt unsereiner mit seiner eigenen Weisheit nicht sehr weit und da muß man sich denn an die großen Meister wenden, nicht um sie als Autorität zu benutzen, sondern um sich von ihnen anregen zu lassen.« (Brief Nelsons vom 27. 12. 01)
1901-1904: Studium in Heidelberg, Berlin, Göttingen. »Ich habe bis vor nicht vielen Jahren in der Einbildung gelebt, die reine Wissenschaft sei das höchste und einzige Gut, sie allein könne, würde und solle mein Leben aus füllen . . . Von diesem Irrtum bin ich gründlich befreit. In der Geistesgemeinschaft allein liegt nur noch der Zweck des Lebens und in ihr allein auch hat die Pflege der Wissenschaft ihren wahren und höchsten Wert: in der gemeinsamen Hingabe an die Wahrheit. Philosophie wenigstens, diese Königin aller Wissenschaften, ist, wie ich mich gern ausdrücke, eine soziale Wissenschaft und kann nur als solche gedeihen.« (Brief Nelsons vom 2. 11. 04)
1904: Herausgabe der »Abhandlungen der Fries'schen Schule, Neue Folge« zusammen mit Gerhard Hessenberg und Karl Kaiser. Zweck der »Abhandlungen« : »die Gründung einer Zeitschrift, durch die unsere Philosophie ein Organ erhält, durch das sie einen öffentlichen Einfluß geltend machen und dadurch schließlich zu einer realen Macht auch im praktischen Leben werden kann.« (Brief Nelsons vom 1. 9. 04)
»Ich behaupte nicht, daß von Fries' Lehre allein alles Gute kommen kann. Aber das behaupte ich, daß ohne sie nichts Gutes auf Dauer gedeihen kann, so wenig wie ein Schiff ohne Steuer, so wenig wie ein Charakter ohne Gewissen möglich ist . . . daß heute die beiden Mächte, die Sokrates beide bekämpft und versöhnt, heute heftiger als je im Streite liegen und uns zu vernichten drohen: das Dogma einerseits und die Anarchie andererseits.« (Brief Nelsons, wahrscheinlich aus dem Jahre 1904)
Promotion: Die kritische Methode und das Verhältnis der Psychologie zur Philosophie (I)
Jakob Friedrich Fries und seine jüngsten Kritiker. - lnaugural-Dissertation (l)
1905-1906: Bemerkungen über die Nicht-Euklidische Geometrie und den Ursprung der mathematischen Gewißheit (III)
1907: Abhaltung privater philosophischer Übungen in Göttingen an Hand der »Abhandlungen der Fries'schen Schule«.
Inhalt und Gegenstand. Grund und Begründung. Zur Kontroverse über die kritische Methode (l)
1908: Näherer Kontakt mit Wilhelm Ohr, Generalsekretär des »Nationalvereins für das liberale Deutschland«. Mitwirkung bei der Gründung der Ortsgruppe Göttingen des »Akademischen Freibundes« – ». . . ein erster Versuch, im neuen deutschen Reich unter den Akademikern eine Organisation zu schaffen, durch die sie in einer ihrem Beruf entsprechenden Weise tatkräftig für eine freiheitliche Politik hätten eintreten können.« (Nelson in »Wilhelm Ohr als politischer Erzieher«) (VIII)
Bemerkungen zu den Paradoxien von Russell und Burali-Forti (III) Ist metaphysikfreie Naturwissenschaft möglich? (III)
Über das sogenannte Erkenntnisproblem (II)
Über wissenschaftliche und ästhetische Naturbetrachtung (III)
1909: Habilitation für Philosophie an der naturwissenschaftlichen Abteilung der philosophischen Fakultät der Universität Göttingen .
Gründung der Jakob-Friedrich-Fries-Gesellschaft: zur Fortentwicklung und Bekanntmachung der Fries'schen Philosophie.
Untersuchungen über die Entwicklungsgeschichte der Kantischen Erkenntnistheorie (II)
1910: Beginnt in seinen Vorlesungen, die Probleme der philosophischen Ethik in Angriff zu nehmen.
1911: Teilnahme am IV. Internationalen Kongreß für Philosophie zu Bologna mit dem Referat »Die Unmöglichkeit der Erkenntnistheorie«.
Die Unmöglichkeit der Erkenntnistheorie (II)
1913: An die freie deutsche Jugend und ihre Freunde (VIII)
1914: Am Tage vor Kriegsausbruch schließt Nelson sein Kolleg über Staatsphilosophie mit dem Thema »Vom Staatenbund« ab: »Der ideale Wert einer nationalen Gemeinschaft: kann einzig und allein davon abhängen, was sie als Kulturgemeinschaft leistet . . . Es ist also Pflicht eines jeden Gebildeten, sich an der Arbeit für die Realisierung eines dauernden Friedenszustandes zwischen den Völkern mit aller Kraft zu beteiligen.«
Die kritische Ethik bei Kant, Schiller und Fries . Eine Revision ihrer Prinzipien (VIII)
1915: Ethische Methodenlehre (IV)
Vom Beruf der Philosophie unserer Zeit für die Erneuerung des öffentlichen Lebens (VIII)
Unter dem Eindruck der Katastrophe des ersten Weltkrieges richtet Nelson an die Mitglieder der Fries-Gesellschaft die Aufforderung, über die nur wissenschaftlichen Aufgaben hinauszugehen und sich der pädagogisch politischen Durchführung des als Recht Erkannten anzunehmen. Da er in der Fries-Gesellschaft keinen Widerhall findet, gründet er mit jüngeren Freunden und Schülern den »Internationalen Jugendbund « (IJB): »Wir wissen, was das Recht von uns fordert. Wir können es wenigstens wissen, wenn wir die Philosophie befragen. Aber die philosophische Erkenntnis wird so lange Schulweisheit bleiben, bis hinreichend gebildete Menschen ihren Willen mit ihrer philosophischen Einsicht in Einklang gebracht haben werden.« (Nelson in: »Der Internationale Jugendbund« (IX) )
Die Rechtswissenschaft ohne Recht. Kritische Betrachtungen über die Grundlagen des Staats- und Völkerrechts, insbesondere über die Lehre von der Souveränität (IX)
Die Reformation der Gesinnung durch Erziehung zum Selbstvertrauen (VIII und IX)
Vorlesungen über die Grundlagen der Ethik , erster Band: Kritik der praktischen Vernunft(IV)
1918: Gründung der »Gesellschaft der Freunde der Philosophisch-politischen Akademie«. Sie soll die Gründung der geplanten Akademie vorbereiten, die ihrerseits die wissenschaftlichen Aufgaben fördern und der Heranbildung von Forschern und Erziehern dienen soll.
Die Reformation der Philosophie durch die Kritik der Vernunft (I, II, III, VIII)
Öffentliches Leben (VI II )
Vom Staatenbund (Schlußvorlesung, gehalten am 31. 7. 1914) (IX)
1919:Ernennung zum außerordentlichen Professor in Göttingen .
Demokratie und Führerschaft (IX)
1920: Erziehung zum Führer (VIII)
System der philosophischen Rechtslehre (VI)
1921: Erziehung zum Knechtsgeist (VIII)
Spuk. Einweihung in das Geheimnis der Wahrsagerkunst Oswald Spenglers . . . (III)
Ethischer Realismus (VIII)
1922: Gründung des Vereins »Philosophisch-politische Akademie«.
Führererziehung als Weg zur Vernunft-Politik (VIII)
Sittliche und religiöse Weltansicht (VIII)
1924: Eröffnung des Landerziehungsheims Walkemühle, einer internationalen Schule für Kinder, auf deren Gelände auch das Gebäude der » Philosophisch-politischen Akademie« errichtet wurde. Nach Nelsons Worten sollte diese Schule den Kindern helfen, »ZU bewahren, was sie als unverdorbene Kinder mitbringen: Glauben an die Wahrheit, Selbstvertrauen und Rechtsgefühl . . . In dieser Schule braucht man nicht zu lügen.« - In der Schule wurden auch Kurse für erwachsene junge Menschen gemäß der Zielsetzung der Akademie durchgeführt.
Vom Bildungswahn (VIII)
Vorlesungen über die Grundlagen der Ethik , dritter Band: System der philosophischen Rechtslehre und Politik (VI)
1925: Ausschluß Nelsons und der Mitglieder des IJB aus der SPD auf Grund eines Konflikts mit dem Parteivorstand. (Wegen des politischen Charakters des vom IJB verfolgten Zieles war Mitgliedschaft in einer sozialistischen Partei Bedingung für die Mitgliedschaft im IJB.)
1926: Gründung des »Internationalen Sozialistischen Kampfbundes« (ISK), der die nach dem Urteil Nelsons notwendigen Konsequenzen der politischen und pädagogischen Forderungen, die eine Partei zu erfüllen hatte, ziehen sollte.
1927: Reise nach Sowjet-Rußland in dem Versuch, mit führenden russischen Politikern die Bedenken, die Nelson gegenüber dem Aufbau ihres Staates hegte, zu erörtern. Trotz gründlicher Vorbereitung und mancher Zusagen, die er erhalten hatte, hat Nelson fast alle der geplanten Gespräche nicht führen können.
29. Oktober : Tod Nelsons. Die bessere Sicherheit. Ketzereien eines revolutionären Sozialisten (IX)
Kritische Philosophie und mathematische Axiomatik (III)
1929: Aus dem Nachlaß:
Die sokratische Methode (I)
Vorlesungen über die Grundlagen der Ethik , zweiter Band: System der philosophischen Ethik und Pädagogik. Aus dem Nachlaß herausgegeben von Grete Henry-Hermann und Minna Specht (V)
1962: Fortschritte und Rückschritte der Philosophie von Hume und Kant bis Hegel und Fries. Aus dem Nachlaß herausgegeben von Julius Kraft (VII)