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Zeitschrift für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft Band 51. Heft 2


Zeitschrift für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft (ZÄK) 51/2. 2006. 160 Seiten.
2366-0740. eJournal (PDF)
DOI: https://doi.org/10.28937/ZAEK-51-2
EUR 68,00


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Abstracts


Katharina Münchberg: Die Potentialität des Kunstwerks


Der Begriff des Kunstwerks ist in seiner grundlegenden Bedeutung durch die Wende zur ästhetischen Erfahrung in Vergessenheit geraten. Aber das Kunstwerk kann durch den Akt der ästhetischen Erfahrung nicht vollständig erfaßt werden; es ist vielmehr der Ort, an dem der wesentliche Bezug zwischen ästhetischer und existentieller Erfahrung hervortritt. Das Kunstwerk ist reine Potentialität, die in der Aktualität der ästhetischen Erfahrung zur Erscheinung kommt. Jenseits der Differenz von Potentialität und Aktualität, von Objekt und Subjekt existiert das Kunstwerk im ontologischen Modus des Sein-Könnens, des Offen-Seins für die Welt.


The concept and central place ›work of art‹ has been neglected by the turn to aesthetic experience. But the work of art cannot be grasped fully by the act of aesthetic experience; it is rather a place, where the essential relation between aesthetic and existential experience becomes known. The work of art is mere potentiality, which appears in the actuality of aesthetic experience. Beyond the difference of potentiality and actuality, object and subject, the work of art exists in the ontological mode of can-being, of being open to the world.


Martina Sauer: Faszination und Schrecken – Wahrnehmungsvorgang und Entscheidungsprozeß im Werk Anselm Kiefers


Faszination und Schrecken sind zwei Schlüsselerfahrungen, die sich insbesondere mit dem Frühwerk Anselm Kiefers verbinden lassen. Gerade in Deutschland haben sie eine Virulenz, die überrascht. Wie kommt es, daß gerade hier seine Arbeiten, in denen er sich mit dem Nationalsozialismus auseinandersetzt, so ambivalent aufgenommen werden? Methodische Basis zur Beantwortung dieser Frage bildet die Analyse der Wirkkraft der Bilder. Dabei zeigt sich grundsätzlich, daß der Wahrnehmungsvorgang als Grundlage für eine Entscheidung ausgelegt werden kann. Deutlich wird dies durch den Zusammenhang von Wirkung und Reaktion auf Bilder in Abhängigkeit von den kulturellen Voraussetzungen jedes Einzelnen. Die Offenlegung dieses Zusammenhangs, zu der Anselm Kiefer mit seinem Werk provozieren kann, erlaubt es die Macht von Bildern als solche zu erkennen und damit in Frage zu stellen. Daß es zu dieser Offenlegung kommt, veranlasst zudem, dieses Phänomen als ein spezifisches Moment nach der Moderne, der Postmoderne, zu beschreiben.


Fascination and horror are two key experiences that are present particularly in the early work of Anselm Kiefer. Particularly in Germany these have prompted surprisingly strong reactions. Why is it, that his work dealing with the National Socialism has been received so ambivalently? The answer to this question, the text attempts, is based on the analysis of the pictures’ conditions of impact, their „Wirkkraft“. It can be shown that the process of perception can be understood as forming the basis of a decision. This becomes apparent in the picture’s effects and people’s varying reactions to them, depending on their cultural background. Disclosing this connection makes recognizable the force of the pictures, thus opening a path to questioning it. Moreover, this disclosure leads to a description of the phenomenon as a specifically post-modern.


Corina Caduff / Sabine Gebhardt Fink / Florian Keller / Steffen Schmidt:: Intermedialität


Intermedialität wird hier systematisch an Musik, Literatur, visuelle Kunst und Film dargestellt. Den Anfang machen allgemeine Überlegungen zu Materialität und Medium in diesen verschiedenen Künsten. Im Weiteren werden unter dem Aspekt ›Bimedialität‹ verschiedene Beispiele vorgestellt, die jeweils aus zwei Medien bestehen (z.B. Musikfilm, das Lied oder Schriftbilder). Dabei folgen wir der Frage, ob und wie jeweils eines der beiden Medien eine Vorrangstellung bekommt. Der abschließende Teil behandelt „intermediale Bezüge in Monomedialität“. Hier geht es um monomediale Darstellungen, denen aber eine Beschäftigung mit einem anderen Medium vorangegangen ist. Das ist etwa dann der Fall, wenn ein Schriftsteller über ein Bild schreibt, ohne daß dieses (im Text) zu sehen ist.


In this article, we offer a systematic description of intermedia relations across music, literature, the visual arts, and film. Beginning with some general reflections on materiality and medium in these diverse fields of art, we then offer various examples consisting of two media (e.g. music film, song, images in writing). We pursue the question if, and how, one of the two media may take priority over the other. In our conclusion, we deal with „intermedia relations in monomediality“. This section focuses on artistic representations made in one medium, but based on reflections on another medium. For instance, this is the case when a novelist writes about a picture without having this picture reprinted in the text.


Angela Oster: Moderne Mythographien und die Krise der Zivilisation – Pier Paolo Pasolinis „Medea“


Im Verlauf seiner Rezeption hat der Medea-Mythos kontinuierlich einen wichtigen Stellenwert in der Reflexion des zivilisatorischen Krisenbewußtseins eingenommen. Dieser Prozeß kulminiert in der Moderne, innerhalb derer die Medea-Version von Pier Paolo Pasolini einen exzeptionellen Stellenwert einnimmt. Pasolinis umsichtige und vielschichtige Cinematopoetik kombiniert den antiken Mythos mit religionswissenschaftlichen Quellen und enttarnt dabei den Begriff des gesellschaftlich ›Natürlichen‹ als ideologische Setzung. Der Ideologie des vorgeblich Natürlichen setzt die pasolinische Medea eine ethnoästhetische Mythographie entgegen, die vor allem das Postulat des zivilisatorischen Fortschritts anzweifelt. Die Rehabilitierung des sakralen Mythos kann in der Moderne zwar nurmehr scheinhaft stattfinden. Doch ist es eben die Fiktion der Mythopoiesis, welche ihr in der modernen Welt einen (wenn auch imaginären) Sinnzusammenhang garantiert.


In the history of its reception, the myth of Medea has always been of prime importance for reflections on an awareness of civilization crisis. This process culminates in the modern age, and especially so with Pier Paolo Pasolini’s exceptionally significant version of the Medea story. Pasolini’s far-seeing and complex poetics of cinema combines the ancient myth with sources drawn from the history of religions and thereby exposes the concept of social naturalness as ideologically posited. Against an ideology of the allegedly natural, his „Medea“ brings to bear an ethnoaesthetic mythography, which casts doubt on the postulate of the progress of civilization. To be sure, in the context of modernism, a rehabilitation of religious myth is impossible except in a mode of aesthetic illusion. But it is the fiction of ›mythopoiesis‹ which assures that such an enterprise can make sense, if only in an imaginary way.


Volker Mergenthaler: Kreisfahrten Überlegungen zum ästhetischen Potential eines filmischen ›Stilmittels‹


„Kreisfahrten sind ein derart alltägliches Stilmittel geworden, daß sich eine Abnutzung spürbar macht“. Zu dieser keineswegs heterodoxen Einschätzung kam jüngst ausgerechnet der ›Altmeister‹ dieser Technik, Michael Ballhaus. Daß sie, wie von filmwissenschaftlicher Seite zu lesen ist, allein durch ihre „Steigerung ins Extrem“ (P. Riedel) ästhetisch wieder produktiv gemacht werden könne, beruht (nicht anders als der Abgesang von Ballhaus) auf der irrigen Annahme, Kreisfahrten seien ausschließlich als Stilmittel zu verrechnen. Anhand dreier Filme – Vertigo, Casualties of War und Lola rennt – versucht der Beitrag deutlich zu machen, daß das ästhetische Potential der Kreisfahrten nicht durch das vermeintliche Stilmittel allein, das isoliert über ein nur sehr schmales Repertoire an Ausdrucksmöglichkeiten verfügt, sondern durch seine Integration in und seine Determination durch ein filmisches Aussagesystem bestimmt und freigesetzt werden kann.


The following article deals with the arc shot camera technique, which is often dismissed as stylistic play (as the famous director of photography Michael Ballhaus, for instance, has argued). The article will have a look at three films – „Vertigo“, „Casualties of War“, and „Lola rennt“ (›Run Lola, Run‹) – to explore the often underrated aesthetic potential of the arc shot device. My thesis is that we better understand the aesthetic function of camera technique if we view the arc shot in terms of its interplay with the films' underlying system of semiotic codes.