In den 16 Quaestionen zur Erörterung der Frage nach dem Ursprung und dem Wesen des Schlechten und Bösen in der Welt und im Handeln der Menschen, also des Übels, versucht Thomas zu zeigen, daß das Übel (ipsum malum) nicht als die andere Seite oder der Antipode des Guten aufzufassen ist, sondern als eine akzidentiell bewirkte Verfehlung des Guten, nach dem alles strebt: Das Übel wirkt nicht aus eigener Kraft, der wir ausgeliefert sind und der wir begegnen müssen, sondern es ist die Folge falschen Handelns - ein vermeidbarer Defekt.
Von den 7 Quaestionen, die in diesem ersten Teilband der Neuübersetzung von De malo enthalten sind, ist die 6. Quaestio von herausragender Bedeutung, in der Thomas ausdrücklich die Freiheit des Willens als aktive Potenz des Menschen herausstellt: Der Wille trifft seine Wahl nicht aus Notwendigkeit, sondern in Freiheit.
Es ist ein hohes Verdienst aller Beteiligten (des Verlages, der Herausgeber und Übersetzer), das Wagnis eines solch gewaltigen und zugleich in Teilen ungewöhnlichen Editionsprojektes einzugehen, das auch vielen Lesern außerhalb der professionellen Zunft einen Zugang zum Denken dieses wichtigen Denkers des Abendlandes ermöglicht, dem auch außerhalb der philosophiegeschichtlichen Beschäftigung eine bleibende Aktualität, Relevanz und Attraktivität zukommt.
Journal für Religionsphilosophie 1/2012