Selbst sein

In seinem neuen Essay über menschliche Existenz im Spannungsverhältnis zwischen Selbstfindung und Selbstverfehlung fragt Emil Angehrn: Wann sind wir in Wahrheit wir selbst? Wissen wir, wer wir sind und was wir eigentlich wollen? Können wir, sollen wir, wollen wir wahrhaftig sein?
Wahrhaftigkeit scheint eine zwiespältige Idee. Auf der einen Seite gilt sie unstrittig als positive Wertvorstellung. Ehrlich zu sein mit anderen und mit uns selbst scheint ein Ideal, eine Pflicht, ja ein innerstes Bedürfnis zu sein. Wir wollen mit uns eins sein und offen mit unseren Nächsten, von denen wir ihrerseits Loyalität und Aufrichtigkeit erwarten. Wahrhaftig zu sein heißt, unverhüllt unserer selbst gewahr zu werden und authentisch zu leben. Auf der anderen Seite erweist sich Wahrhaftigkeit als fragile, problematische Leitidee. Wir sind unsicher, wieweit wir zur restlosen Klarheit über uns fähig und zur absoluten Offenheit gegenüber anderen bereit sind. Historische Analysen handeln von Lüge und Verdeckung als Mechanismen der sozialen Welt. Kulturkritische Diagnosen verkünden das Ende der Aufrichtigkeit. Auch wenn persönliche Integrität als existenzieller Wert hochgehalten wird, bleibt zu klären, was sie als Idee beinhaltet, ob sie als Norm gelten darf und wie sie im Leben der Einzelnen und der Gesellschaft zu verwirklichen ist. Wir sind uns nicht einfachhin zugänglich, sondern auch fremd. Wir sind nicht ohne Weiteres in der Lage, ›eigentlich‹ zu existieren.

• | Kapitel kaufen CoverU1
• | Kapitel kaufen Inhaltsverzeichnis5
• | Kapitel kaufen 1. Einleitung: Wahrhaftigkeit als Ideal?7
• | Kapitel kaufen 2. Die Idee der Wahrhaftigkeit15
• | Kapitel kaufen 2.1 Wahrhaftig gegen andere: Das Interesse an Wahrheit16
• | Kapitel kaufen 2.2 Wahrhaftig mit sich selbst: Facetten der Eigentlichkeit19
• | Kapitel kaufen (a) Das Eigene und das Fremde: Das unvertretbare Selbst20
• | Kapitel kaufen (b) Selbsterschließung, Selbstausdruck, Selbsterschaffung22
• | Kapitel kaufen (c) Selbstsein und Identität27
• | Kapitel kaufen (d) Einheit mit sich, Wirklichsein, erfüllte Existenz31
• | Kapitel kaufen 3. Unwahrhaftigkeit und Uneigentlichkeit37
• | Kapitel kaufen 3.1 Unzugänglichkeit und Selbsttäuschung38
• | Kapitel kaufen 3.2 Selbstfremdheit und Selbstverfehlung41
• | Kapitel kaufen 3.3 Existenziale und pathologische Selbstverfehlung43
• | Kapitel kaufen 4. Eigentlichkeit zwischen Selbst und Andersheit49
• | Kapitel kaufen 4.1 Erschlossenheit und Selbstsein49
• | Kapitel kaufen 4.2 Wahrhaftigkeit im Sein mit Anderen52
• | Kapitel kaufen (a) Der Anspruch des Anderen53
• | Kapitel kaufen (b) Die Gabe des Anderen53
• | Kapitel kaufen (c) Befreiung von Selbsttäuschung56
• | Kapitel kaufen 5. Zwiespalt und Ambivalenz: Zwischen Wahrhaftigkeit und Unwahrhaftigkeit61
• | Kapitel kaufen 6. Der Ausgang vom Negativen67
• | Kapitel kaufen 6.1 Methodischer und ontologischer Negativismus67
• | Kapitel kaufen 6.2 Dimensionen des Negativen70
• | Kapitel kaufen (a) Theoretische und praktische Negativität70
• | Kapitel kaufen (b) Kontingente und konstitutive Negativität72
• | Kapitel kaufen 7. Vom Negativen zum Positiven: Wahrhaftigsein im Uneigentlichen79
• | Kapitel kaufen Anmerkungen85
• | Kapitel kaufen Bibliographie93
• | Kapitel kaufen Namenregister99