Die Weltkriege haben das alte Europa zu einer ungastlichen Sphäre gemacht, in der jeder jederzeit zum Flüchtling werden konnte. So ist es im Prinzip bis heute, auch wenn die äußeren Umstände diesen Eindruck nicht erwecken mögen. Muss man daran erinnern, dass die atomare Bedrohung nach wie vor virulent ist? Wer so bedroht ist, kann sich allenfalls in einer fadenscheinigen Sicherheit wähnen, müsste aber wissen, dass jeder nur dank anderer davor bewahrt werden kann, in die Flucht geschlagen zu werden, und nur dank anderer gegebenenfalls anderswo Aufnahme finden wird. Jeder lebt sozial und politisch nur dank anderer, die ihm/ihr bis auf weiteres eine Bleibe eingeräumt haben, sei es unter Brücken, sei es in Notunterkünften, sei es zur Miete oder in legalisiertem Eigentum. Und jede(r) kann als von anderen so oder so Aufgenommene(r) grundsätzlich jederzeit vertrieben werden. An dieser Erfahrung kommt Europa in seiner Geschichtlichkeit nicht vorbei. Entweder es verhält sich ›offen‹ dazu oder es verschanzt sich ›identitär‹ in historischer Ignoranz ‒ nicht nur jetzt begegnenden Flüchtlingen, sondern auch sich selbst gegenüber. Für ein Europa, das den Anspruch erhebt, sich nicht-ignorant zu seiner eigenen Gewaltgeschichte zu verhalten, kann die Frage nur lauten, wie (nicht ob) die fragliche ›Offenheit‹ Gestalt annehmen soll. Keineswegs ist diese Offenheit aber nur eine ›auswärtige‹ Angelegenheit Fremden gegenüber. Sie müsste vielmehr jedem zugute kommen können, der den Anspruch erhebt, gehört zu werden. Daran erinnern gegenwärtig Marginalisierte, zahllose prekär Lebende und sogenannte »Überflüssige«, deren oft selbstgerechte und anti-politische Empörung allerdings eine eminente Herausforderung für das Politische darstellt.
- | Kapitel kaufen Cover
1
- | Kapitel kaufen Inhalt5
- | Kapitel kaufen Vorwort
- | Kapitel kaufen Teil I – Europäische Gewaltgeschichte und Ungastlichkeit
- | Kapitel kaufen Kapitel I
Europa im Zeichen der Gastlichkeit
Angefeindet von innen und außen
- | Kapitel kaufen 1. Europa zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
- | Kapitel kaufen 2. Europas gelebte Wirklichkeit in historischer Perspektive
- | Kapitel kaufen 3. Europäische Gewaltgeschichte, primäre und sekundäre Gastlichkeit
- | Kapitel kaufen 4. Europa im Zeichen der Gastlichkeit: Spielräume des Verhaltens
- | Kapitel kaufen 5. Gastlichkeit vs. Souveränität – Auskehr aus dem Europäischen?
- | Kapitel kaufen 6. Europa im Zeichen des Hasses
- | Kapitel kaufen 7. Normative Folgerungen?
- | Kapitel kaufen Kapitel II
Heimat für Heimatlose?
Politische Überlegungen zur Literatur der Verlassenheit
- | Kapitel kaufen 1. Eine verdächtige Renaissance
- | Kapitel kaufen 2. Anzeichen politischer Heimatlosigkeit
- | Kapitel kaufen 3. Vielfältige Quellen der Heimatlosigkeit
- | Kapitel kaufen 4. Eine politisch gefährliche Illusion?
- | Kapitel kaufen 5. Heimat-Ontologie und Gastlichkeit des Politischen
- | Kapitel kaufen 6. Verlassenheit
- | Kapitel kaufen Kapitel III
Europäische Winterreisen
Landschaften der Verlassenheit − Bilder des Desasters
- | Kapitel kaufen 1. Präludium
- | Kapitel kaufen 2. Landschaft und Gewalt
- | Kapitel kaufen 3. Desaströse Topographien
- | Kapitel kaufen 4. Spielarten der Verlassenheit
- | Kapitel kaufen 5. Hinterlassene Bilder der Verlassenheit
- | Kapitel kaufen 6. Befremdliche Bildlichkeit: Auslieferung und Zeugenschaft
- | Kapitel kaufen Kapitel IV
Unaufhebbare Welt-Fremdheit
›Nomadisches‹ Leben, Bleibe und Staatlichkeit
- | Kapitel kaufen 1. Vom nomadischen Wesen zum new nomadism101
- | Kapitel kaufen 2. Alte und neue Nomaden: Atavismus, Pathologie oder Avantgarde?104
- | Kapitel kaufen 3. Jüdische Variationen − mit Blick auf Martin Buber 107
- | Kapitel kaufen 4. »Humanes Wesen des Nomadentums« und das »rechte Erdendasein« 113
- | Kapitel kaufen 5. Wahrheit vs. Sesshaftigkeit in politischer Hinsicht117
- | Kapitel kaufen Überleitung128
- | Kapitel kaufen Teil II – Sprache als Gastlichkeit und das páthos des Politischen135
- | Kapitel kaufen Kapitel V
Soziale Gastlichkeit
Radikal, selbstverständlich, angefeindet
- | Kapitel kaufen 1. Eine Geste der Einladung
- | Kapitel kaufen 2. ›Ohne Aufenthaltsgenehmigung‹ oder empfangen?
- | Kapitel kaufen 3. Verschiedene Typen von Gastlichkeit
- | Kapitel kaufen 4. Primäre, sekundäre und tertiäre Gastlichkeit
- | Kapitel kaufen 5. Praktische Perspektiven
- | Kapitel kaufen 6. Schluss
- | Kapitel kaufen Kapitel VI
Sprache, Gewalt und die Gastlichkeit des (Zu-)Hörens
- | Kapitel kaufen 1. Einführung
- | Kapitel kaufen 2. Sprache und Gewalt: kongruent und allgegenwärtig?
- | Kapitel kaufen 3. Zwischen Gewaltsamkeit und Gewalttätigkeit: differenzielle Fragen
- | Kapitel kaufen 4. Ausweglose Gewalt?
- | Kapitel kaufen Kapitel VII
Am Tisch mit Feinden
Zur politischen Metaphorik der Gastlichkeit
- | Kapitel kaufen 1. Der Tisch als Ding, Metonymie und Metapher
- | Kapitel kaufen 2. Haus, Herd und Tisch in kulturgeschichtlicher Perspektive
- | Kapitel kaufen 3. Immanuel Kant und die »Tischgesellschaft«
- | Kapitel kaufen 4. Was geschieht ›bei‹ bzw. am Tisch?
- | Kapitel kaufen 5. Am Tisch mit Feinden. Übergang zum Politischen
- | Kapitel kaufen Kapitel VIII
Die pathische Dimension des Politischen und die zweifelhafte Politisierbarkeit negativer Erfahrungsansprüche
- | Kapitel kaufen 1. Zur ›thymotischen‹ Vitalität des Politischen
- | Kapitel kaufen 2. Rückgang auf Widerfahrnisse der Seele (Aristoteles)
- | Kapitel kaufen 3. Das seelische Un-Ding: weltlich/weltfremd
- | Kapitel kaufen 4. Zur originären Politisierung negativer Erfahrungsansprüche
- | Kapitel kaufen 5. Schluss
- | Kapitel kaufen Kapitel IX
»Ich empöre mich, also sind wir«?
Zur fragwürdigen Politisierbarkeit einer ›rebellischen‹ Energie
- | Kapitel kaufen 1. Hiobs Erbe
- | Kapitel kaufen 2. Erinnerung an aktuelle Rebellionen
- | Kapitel kaufen 3. Empörung und politische (Ko-)Existenz. Zur Aktualität von Albert Camus’ Schrift über die Revolte
- | Kapitel kaufen 4. Vom Negativismus zum Politischen
- | Kapitel kaufen Kapitel X
Bewährt sich das ›Licht der Öffentlichkeit‹ noch als Metapher?
Zur radikalen Frage, was die Welt ›hell‹ macht
- | Kapitel kaufen 1. Die Welt, Tatsachen und ihre Bestimmung
- | Kapitel kaufen 2. Ein ›verdunkeltes‹ Bild der Welt
- | Kapitel kaufen 3. Wodurch es ›hell‹ wird: vier umstrittene Vorschläge
- | Kapitel kaufen 4. Licht in wörtlicher und übertragener Bedeutung
- | Kapitel kaufen 5. Auf die Welt kommen: Sichtbarkeit und Hörbarkeit ursprünglich und öffentlich
- | Kapitel kaufen 6. Das Politische und die Re-Privatisierung der Öffentlichkeit
- | Kapitel kaufen Epilog
- | Kapitel kaufen Anmerkungen262
- | Kapitel kaufen Nachweise313
- | Kapitel kaufen Siglen315
- | Kapitel kaufen Literaturverzeichnis316
- | Kapitel kaufen Zusätzliche Internetquellen341
- | Kapitel kaufen Namenregister342