Aufstieg und Entwicklung der interdisziplinären akademischen Disziplin der Cultural Studies sind Teil eines breiteren cultural turn in den Geistes- und Sozialwissenschaften, der für eine Verabschiedung monokausaler und reduktionistischer Methodologien steht zugunsten komplexer, holistischer und dialektischer Analysen sozialer und kultureller Prozesse. In der sogenannten Kritischen Theorie hat dies zu einem Aufmerksamkeitswechsel geführt von ökonomischen und politischen Ursachen sozialer Ungleichheit und sozialer Kämpfe zur Beharrlichkeit und irreduziblen Komplexität kultureller Differenzen oder von Andersheit, belegt durch wichtige Studien über die Rolle des Nationalismus, der Ästhetisierung des Alltagslebens und des wachsenden Einflusses der neuen Medien auf Kommunikation und Imagination. Dieser cultural turn in den Geistes- und Sozialwissenschaften ist verbunden mit einem wachsenden Einfluss kultureller und zugleich post-politischer Formen von Macht im Alltagsleben, veranschaulicht durch die Dominanz der leistungsorientierten Kultur ›positiven Denkens‹ in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen, mit anderen Worten: einer neoliberalen Kultur und Ideologie. In den Kulturwissenschaften wird das historische Bewusstsein vom wachsenden Einfluss kultureller Macht kombiniert mit anthropologischer Forschung über die Besonderheiten gegenwärtiger Alltagskultur und einer starken Sensibilität für die Spannungen, Ungleichheiten und Widersprüche in dieser Kultur infolge der anwachsenden Globalisierung ihrer Bedingungen. Diese inter- oder transdisziplinäre Perspektive auf die Macht der Kultur kann schließlich nicht erfolgreich sein, ohne erneut seriös nachzudenken über die ästhetische Qualität oder Dimension der Alltagskultur und zugleich über den Bereich und die Substanz des Ästhetischen selber.
The rise and development of the interdisciplinary academic discipline of cultural studies is part of a broader cultural turn in the humanities and social sciences that represents a fare- well to mono-causal and reductionist methodologies in favor of a more complex, holistic and dialectical analysis of social and cultural processes. In so-called ‘critical theory’ this has led to a shift from economic and political sources of social inequality and struggles towards the persistence and irreducible complexity of cultural difference or otherness, evidenced by important studies of the role of nationalism, the aestheticization of everyday life or the growing influence of new media of communication and imagination. This cultural turn in humanities and social sciences is related to a growing influence of cultural and at the same time post-political forms of power in everyday life, exemplified by the dominance of a meritocratic culture of ‘positive thinking’ in different areas of society, or in other words: of a neoliberal culture and ideology. In cultural studies historical awareness of this growing influence of cultural power is combined with anthropological research into the specificities of contemporary everyday culture and with a strong sensibility for the tensions, inequalities and contradictions in that culture, due to an ever growing globalization of its conditions. This inter- or transdisciplinary perspective on the power of culture finally cannot do without a serious rethinking of the aesthetic quality or dimension of everyday culture – and at the same time a rethinking of the scope and substance of aesthetics itself.
- | Kapitel kaufen Titelei1
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- | Kapitel kaufen Abhandlungen11
- | Kapitel kaufen Burkhard Liebsch: Perspektivität, Pluralität, geteilte Welt - Ästhetik, Politik und menschliche Sensibilisierbarkeit in der Philosophie Jacques Rancières11
- | Kapitel kaufen René Boomkens: Smile or Die! On the Future of Cultural Studies39
- | Kapitel kaufen René Thun: Kant und König über Schönheit - Eine sprachphilosophische Überlegung57
- | Kapitel kaufen Birgit Mersmann: Ekphratische Schichtarbeit und die Ikonoklasmen der Übermalung in Heiner Müllers Bildbeschreibung71
- | Kapitel kaufen Stephanie Marchal: Julius Meier-Graefe und die plurale Logik der Bilder97
- | Kapitel kaufen Christian Ferencz-Flatz: Film in der frühen Phänomenologie119
- | Kapitel kaufen Miszelle137
- | Kapitel kaufen Isabel Hufschmidt: Negotiating the Absent - Alienation and the Institutionalized Shock137
- | Kapitel kaufen Besprechungen151
- | Kapitel kaufen Gunnar Hindrichs: Die Autonomie des Klangs – Eine Philosophie der Musik, Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2014. 272 S. und Christian Grüny: Kunst des Übergangs – Philosophische Konstellationen zur Musik, Weilerswist: Velbrück Wissenschaft 2014 (Richard Klein)151
- | Kapitel kaufen Romano Pocai: Philosophie, Kunst und Moderne – Überlegungen mit Hegel und Adorno, Berlin: Xenomoi Verlag 2014 (Harry Lehmann)160
- | Kapitel kaufen K. Ludwig Pfeiffer: Fiktion und Tatsächlichkeit – Momente und Modelle funktionaler Textgeschichte (= Sammlung Flandziu No 1), Hamburg: Shoebox House 2015 (Nicolas Pethes)164