Oscar Wilde reagiert auf die missliche Lage der Kunst angesichts eines zunehmend blasierten Publikums. Er vertauscht die Rollen und setzt seine Kunst als Rezeption derer an, die ehemals die Rezipienten waren – gemäß dem Topos vom ›sehenden
Kunstwerk‹ (Früchtl). Wilde zu rezipieren heißt allererst, sich rezipiert zu wissen. Wilde blickt kälter zurück, als er oder seine Kunst angeblickt werden könnten. Als angeblicktes wird das Publikum unversehens selbst in die Position des Kunstwerks versetzt. Es sieht sich mit ästhetischen Erwartungen konfrontiert, denen es aus systematischen Gründen nicht gerecht werden kann. Die Existenz zu ästhetisieren heißt, sie zu desavouieren. Wilde erzieht auf diese Weise nicht sein Publikum, er erzieht hin zum Publikum. Dem Publikum soll nichts Besseres passieren können, als Publikum zu bleiben. Der kalte Blick ist ihm als Amoralismus ausgelegt worden. Doch Wilde taugt nicht als Beispiel dafür, dass selbst moralisch Verwerfliches ästhetisch legitim sein kann. Er führt stattdessen vor Augen, dass das Ästhetische weitaus weniger erlaubt als das Ethische. Unethisches verbietet sich schon – und nur – ästhetisch.
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- | Kapitel kaufen Inhaltsverzeichnis3
- | Kapitel kaufen Abstracts5
- | Kapitel kaufen SCHWERPUNKT: Moral-Kunst · Darf Kunst moralisch sein? | Kunst-Moral · Muss Kunst moralisch sein?11
- | Kapitel kaufen Noch einmal: zur Einführung. Von Reinold Schmücker und Philipp Theisohn11
- | Kapitel kaufen Gewalt, Mord und Antihelden – Moral im KinoEin kritischer Essay. Von Maria Wiesner17
- | Kapitel kaufen I. Einleitung: Verderben Filme das Publikum?17
- | Kapitel kaufen II. Vom Kino inspirierte Verbrecher?18
- | Kapitel kaufen III. Moralische Abgründe: die modernen Antihelden19
- | Kapitel kaufen IV. Wo die Zensur zuschlägt21
- | Kapitel kaufen V. Wer entscheidet, wie moralisch wertvoll Kunst ist?21
- | Kapitel kaufen Die Untugend der Kunst. Pragmatistische Reflexionen über den Kitsch anlässlich des gegenwärtigen Krieges. Von Albert Dikovich23
- | Kapitel kaufen I. Einleitung23
- | Kapitel kaufen II. Das Ästhetische und die Moral24
- | Kapitel kaufen III. Die Untugend der Kunst: das Beispiel des Krieges30
- | Kapitel kaufen IV. Ein Gegenbild: Goya37
- | Kapitel kaufen V. Schluss: thanateischer Kitsch39
- | Kapitel kaufen Der kalt erwiderte Blick. Oscar Wilde, die Nebensächlichkeit der Kunst und das Unästhetische der Existenz. Von Christoph Paret43
- | Kapitel kaufen I. Ästhetisch Untersagtes43
- | Kapitel kaufen II. Der kalte Blick – eine kurze Genealogie der ›Rezeption‹49
- | Kapitel kaufen III. Leben als Nachleben – Schwierigkeiten der ›Ästhetik der Existenz‹54
- | Kapitel kaufen IV. Der Ästhetizismus und die Lizenz ›schlechter Kunstwerke‹60
- | Kapitel kaufen The Metaethical Turn: Beyond ›Good‹ and ›Evil‹. By Ronald Shusterman65
- | Kapitel kaufen I. Rocket Science65
- | Kapitel kaufen II. The Fact/Value Distinction: Beyond ›Good‹ and ›Evil‹66
- | Kapitel kaufen III. The Principle of Non-Neutrality and the Moral Impossibility ofAbsolute Autonomism69
- | Kapitel kaufen IV. From Epistemology to Metaethics: Dizziness and the Art of Olafur Eliasson71
- | Kapitel kaufen V. Conclusion74
- | Kapitel kaufen Framing people’s justice. Normative Aporien des interkulturellen Dialogs über Kunst am Beispiel der documenta fifteen. Von Aude Bertrand-Hoettcke und Matthias Kettner75
- | Kapitel kaufen I. Einleitung75
- | Kapitel kaufen II. Die politische Problematik: BDS, Antisemitismus und die Kunst von Taring Padi77
- | Kapitel kaufen III. Die organisationsethische Problematik: Verantwortungsdiffusion80
- | Kapitel kaufen IV. Die ästhetische Problematik: mangelnde Kulturreflexion85
- | Kapitel kaufen V. ›Whose Justice?‹ Diskursethik und die potentiell aporetische Diskussionskultur multikultureller Kunstausstellungen94
- | Kapitel kaufen VI. Hilft das kunstphilosophische Konzept einer ›ästhetischen Verantwortung‹ weiter?98
- | Kapitel kaufen ABHANDLUNG101
- | Kapitel kaufen Die Ausstellung als geopolitische Versuchsanordnung. Künstlerischer Wissenstransfer und transmediale Vermittlung in Latours Gedankenausstellung »Critical Zones – Horizonte einer neuen Erdpolitik«. Von Birgit Mersmann und Hauke Ohls101
- | Kapitel kaufen I. Die Kritische Zone in der Gedankenausstellung101
- | Kapitel kaufen II. Ausstellungspolitik als Erdpolitik105
- | Kapitel kaufen III. Lessons to be learned: Interaktionen zwischen Kunst und Erdwissenschaft124
- | Kapitel kaufen BESPRECHUNG127
- | Kapitel kaufen Wolfgang Hottner: Kristallisationen – Ästhetik und Poetik des Anorganischen im späten 18. Jahrhundert, Göttingen: Wallstein 2020, 278 S.127