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Deep time Heimat. Die prähistorischen Landschaften des Deutschen Reichs



Im Deutschen Reich avancierte die Landschaft zum zentralen Medium des Heimaterlebens. Dabei erfuhr die Heimat mittels der Erfahrung von fremden und exotischen Landschaften in den Kolonien eine nie dagewesene räumliche Expansion: aus der Ferne konnte die Nation selbst zur Heimat werden. Während diese räumliche ‚Dehnbarkeit‘ der Heimat (und deren identitätsstiftende Funktion) schon seit Längerem Gegenstand der Forschung ist, erfuhr die zeitliche Dimension der Heimat bislang wenig Aufmerksamkeit. Obwohl die Entdeckung und Entfaltung der geologischen Zeitskala im 19. Jahrhundert neue, unvorstellbar große Zeiträume bereitstellte, blieben der Heimat scheinbar enge zeitliche Grenzen gesetzt. Dieser Beitrag zeigt anlässlich der Untersuchung populärwissenschaftlicher Schriften aus den Jahren 1898–1931 von Alfred Götze und Wilhelm Bölsche, dass im Deutschen Reich parallel zur räumlichen Expansion der Heimat auch eine zeitliche Expansion erfolgte, die über die Verortung der Heimat in der ‚guten alten Zeit‘ weit hinausreichte und über die Ur- und Frühgeschichte bis tief in die Erdgeschichte ausgriff. Im Medium prähistorischer Landschaften erschloss sich den Zeitgenossen eine in zwei Versionen vorliegende deep time Heimat. Eine nationalistische deep time Heimat verortete die nationale Einheit in der Tiefe der Zeit und beförderte damit ein umfassenderes und zugleich abstrakteres, ein ,nationales‘ Heimaterleben. Eine imperialistische deep time Heimat diente als Anschauungsfall für den ‚Kampf ums Dasein‘ und wies die Expansion der Heimat als einzig möglichen Weg zu ihrer Bewahrung aus.