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Eduard Hanslick und der Hegelianismus


Zurück zum Heft: Zeitschrift für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft Band 62. Heft 2
DOI: https://doi.org/10.28937/1000108018
EUR 16,90


Die Forschung zu Eduard Hanslicks Vom Musikalisch-Schönen (1854) ist in der deutschsprachigen Diskussion auf die historischen Hintergründe von Hanslicks Argument fokussiert. Während die frühesten Deutungen von Hanslicks Standpunkt seine systematischen Berührungspunkte mit dem ahistorischen Formalismus von Johann Friedrich Herbart konstatierten, akzentuierte die deutsche Forschung der 1970er und 1980er seinen starken Konnex mit Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Dahlhaus betonte speziell, dass Hanslicks Argument eine Bekanntschaft mit dem Hegelianismus als der »herrschenden Philosophie der 1830er und 1840er« nötig mache. Dahlhaus’ Hypothese wird bei der gewissenhaften Rekonstruktion der österreichischen Hegelrezeption jedoch schwierig. Habsburgische Bildungsplaner befanden dagegen den Deutschen Idealismus für politisch untragbar, was die Entlassung von mehreren Professoren nach sich zog, die den ›gefährlichen‹ Hegelianismus propagierten. Diese Lage wird von uns als geeigneter Ansatzpunkt für die detailgetreue Untersuchung der hegelianischen Theorieelemente von Hanslicks Abhandlung benutzt, welche vor dem Hintergrund der ablehnenden Grundhaltung ›Österreichs‹ zum Deutschen Idealismus sorgsam erfolgen muss. Hanslicks VMSTraktat umfasst dennoch mehrere wichtige Elemente der hegelianischen Ästhetik-diskussion, die nicht einzig Hegels System, sondern ebenso hegelianische Kunsttheoretiker (Kahlert, Krüger, Vischer etc.) umfänglich einbeziehen muss. Hanslicks Standpunkt, der die ahistorische Ausrichtung des Herbart’schen Formalismus niemals aufgriff, ist vor allem durch Vischers Annahme zur historischen Entwicklung des musikalischen Grundmaterials geprägt worden. Wir sehen somit Hanslicks VMS-Traktat als die ›eklektische‹ Verschmelzung von heterogenen theoretischen Diskursfeldern, womit dieser Herbartianismus und Hegelianismus als ästhetische Gegenpole des neunzehnten Jahrhunderts miteinander ausgleichen konnte. German-speaking scholarship on Eduard Hanslick’s aesthetic treatise »On the Musically- Beautiful« (1854) is primarily concerned with the historical background of Hanslick’s argument. Whereas contemporary investigations into Hanslick’s aesthetics emphasised theoretical overlaps with Johann Friedrich Herbart’s ahistorical formalism, German scholars of the 1970s and 1980s highlighted similarities to Georg Wilhelm Friedrich Hegel. In this respect, Dahlhaus specifically accentuated that Hanslick’s doctrine implies an exposure to Hegelianism as the »reigning philosophy of the 1830s and 1840s«. By reconstructing the historical reception of Hegel’s system in Austria, however, Dahlhaus’s premise becomes thoroughly problematic. Habsburg authorities considered German Idealism to be politically intolerable, thereby prompting numerous sackings of Austrian university lecturers on account of ›dangerous‹ Hegelianism. We take this historical framework as a suitable starting point for a comprehensive investigation of Hanslick’s Hegelian leanings that have to be carefully explored in the light of ›Austria’s‹ critical attitude towards speculative philosophy. »On the Musically-Beautiful«, however, comprises important elements of Hegelian aesthetics that are not limited to Hegel’s system but rather extend to Hegelian aesthetics in general (Kahlert, Krüger, Vischer etc.). Vischer’s hypothesis regarding the historical development of musical material particularly influenced Hanslick’s aesthetic outlook, who did not share the ahistorical conception of Herbartian formalism. Thus, we interpret Hanslick’s aesthetic treatise as an ›eclectic‹ fusion of diverse theoretical frameworks, ultimately reconciling Herbart and Vischer as the opposing extremes of mid-19th century aesthetics.