"Unser Wissen von der Außenwelt", zuerst erschienen 1914, enthält zusammen mit der Einführung in die mathematische Philosophie von 1919 (PhB 536) die Gesamtheit aller wichtigen erkenntnistheoretischen und logischen Ansichten Russells. Hervorgegangen aus den "Lowell Lectures" - einer Vorlesungsreihe, die Russell 1914 an der Harvard Universität in Boston gehalten hat -, beschäftigt sich das Werk mit Wesen und Erwerb sicheren Wissens von der objektiven Außenwelt und sucht Antworten auf die Fragen, was die Welt sei und wie der Mensch sie sieht. Im Zentrum der Erörterung steht dabei das Verhältnis der Sinnesdaten zu Raum, Zeit und dem Gegenstand der mathematischen Physik.
Russells Anwendung der logisch-analytischen Methode auf die Philosophie fußt auf dem Verständnis von Logik und Wahrnehmung als absolute Fundamente, auf die alles Wissen zu reduzieren ist. Sie offenbart Eigenart, Wirksamkeit und Unvermögen der modernen Logik in der Philosophie und erhebt diese in den Stand einer wissenschaftlichen Disziplin. Die Leichtigkeit des Fortgangs der Argumentation und die lebendige Sprache gewähren einen schnellen Zugang zu Werk und Grundthesen des Autors.
"Unser Wissen von der Außenwelt" war von umfassendem Einfluß und hat beispielsweise Rudolf Carnap zu seinem Hauptwerk "Der logische Aufbau der Welt" angeregt. Mit der Neuausgabe des Textes in der "PhB" wird eine grundlegende Überarbeitung der deutschen Erstausgabe des Jahres 1926 im Meiner Verlag vorgelegt. Der Band basiert auf der von Russell im gleichen Jahr überarbeiteten Version und wird durch eine ausführliche Einleitung des Herausgebers abgerundet.
Der Herausgeber Michael Otte hat dazu eine sehr umsichtige Einleitung geschrieben, in der der Zusammenhang der Russellschen Denkansätze philosophiegeschichtlich erörtert und ihre in anderen Werken Russells ausführlicher behandelten Voraussetzungen verständlich erläutert werden. Sehr schön sind z.B. die Querverweise auf Russells kleine Schrift über die Relativitätstheorie.
Prof. Dr. Claudius Strube
Die neue etwa vierzigseitige Einleitung von Michael Otte ist ein Gewinn für das Buch und führt kenntnisreich in die von Russell behandelte erkenntnistheoretische Problematik ein.
Prof. Dr. Klaus Fischer
Dieses radikale, für die analytische Philosophie bedeutsame Werk erfuhr mit dieser Neuausgabe eine überzeugende, auch den derzeitigen Diskussionsstand berücksichtigende Gestaltung. Hierzu trug vor allem zweierlei bei: die Fokussierung auf Russells zweite, von ihm überarbeitete Version des Textes aus dem Jahr 1926, der damit auch sprachlich und, was die Zitatenwiedergabe betrifft, bestens aktualisiert erscheint, und eine umfangreiche, umsichtig druchgeführte Einleitung in Denken und Werk Russells durch den Herausgeber Michael Otte. Mittels beider Maßnahmen ist eine in jeder Beziehung anregende Lektüre dieses spannungsreichen, aber auch problematischen Versuchs einer Beantwortung der Frage garantiert, worin unser sicheres Wissen von der objektiven Welt denn nun bestehe.
Prof. Dr. Ansgar Häußling