Das »Richtige und das Gute« (1930), das ethische Hauptwerk W. D. Ross’, enthält eine Vielzahl wichtiger moralphilosophischer Thesen und Argumente, die bis in die Gegenwart kontrovers diskutiert werden. Im Mittelpunkt steht seine pluralistische Deontologie, der zufolge sich die richtige Handlung aus einer Abwägung der in der jeweiligen Situation relevanten und unableitbaren Prima-facie-Pflichten ergibt, von denen nur ein Teil auf die Optimierung der Handlungsfolgen bezogen ist. Diese Deontologie wurde zu einem modernen Klassiker unter den normativen ethischen Theorien.
Darüber hinaus stellt Ross’ These, dass moralische Intuitionen eine Quelle selbstevidenten Wissens sein können, einen wichtigen Referenzpunkt in Debatten um den erkenntnistheoretischen Fundamentalismus dar. Auch für die Handlungstheorie liefert Ross einflussreiche Argumente, wenn er die Ansicht vertritt, dass Pflichten nie ein bestimmtes Motiv des Handelnden zum Gegenstand haben können. Eine zentrale Stellung nimmt für Ross die Güterlehre ein, in welcher er von vier Grundgütern, Tugend, Wissen, Lust und Gerechtigkeit, ausgeht.
Wurde Ross in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts im damaligen Großbritannien als ein herausragender Ethiker – einer der bedeutendsten des Jahrhunderts, auf Augenhöhe mit G.E. Moore – angesehen, wandelte sich das Meinungsbild in den folgenden Jahrzehnten unter dem Einfluss besonders des Logischen Positivismus und der Philosophie Wittgensteins. In den letzten Jahrzehnten ist jedoch wieder ein wachsendes Interesse an Ross’ Ethik festzustellen. Dabei wird »Das Richtige und das Gute« bisweilen sogar mit der »Nikomachischen Ethik«, Kants »Grundlegung« und Humes »Untersuchung über die Prinzipien der Moral« verglichen.