Dass alles eine Frage der Perspektive sei, scheint selbst kaum mehr eine Frage der Perspektive zu sein. Die Vorschussplausibilität dieser Position verdeckt jedoch die Differenzen innerhalb des Perspektivismus. Zum einen kann damit die Gebundenheit unserer Sichtweisen gemeint sein, die je nach Standort wechseln; zum anderen kann zum Ausdruck gebracht werden, dass unterschiedliche Annahmen, Interessen oder Ziele dazu führen, ‚denselben‘ Gegenstand unterschiedlich zu betrachten; zudem haben wir es mit oft divergenten, ja unvereinbaren Überzeugungen zu tun, wie in einer bestimmten Situation zu handeln ist. Es lassen sich demnach verschiedene Versionen des Perspektivismus unterscheiden: eine epistemische, die die Unhintergehbarkeit der Perspektive verdeutlicht, zumal ohne sie gar nichts zu erkennen wäre; eine hermeneutische, die unterstreicht, dass ein Gegenstand nicht selbst bestimmt, wie er verstanden werden könnte; und eine moralische, die den Konflikt zwischen Überzeugungen und Werten verarbeitet. Lässt sich trotz dieser Differenzen eine einheitliche Position formulieren, die das Etikett des Perspektivischen verdient? Liegen hierin womöglich Chancen, die Alternative zwischen relativistischen und realistischen Positionen zu unterlaufen? Und diese Alternative ließe sich selbst noch einmal auf den Perspektivismus anwenden: Ist das Perspektivische eine Eigenschaft der betrachteten Gegenstände oder verdankt es sich unseres Zugriffs auf sie? Und wie steht es um die Grenzen des Perspektivismus: Wo und wann beendet das uns ganz Gewisse den Pluralismus perspektivischer Offenheit? Könnte man nicht zuletzt gar der Perspektivlosigkeit etwas abgewinnen? Mit Beiträgen von Christine Abbt, Johanna Breidenbach, Lisa Heller, Andreas Mauz, David Lauer, Anton Leist, Hartmut von Sass, Niko Strobach, Jakob Tanner, Holm Tetens, Dieter Thomä, David Weberman, Markus Wild und Véronique Zanetti.
- | Kapitel kaufen Titelei1
- | Kapitel kaufen Inhalt5
- | Kapitel kaufen Vorwort7
- | Kapitel kaufen Hartmut von Sass: Perspektiven auf die Perspektive. Eine Einleitung9
- | Kapitel kaufen I. Standortgebundenheit. Zum epistemischen Perspektivismus35
- | Kapitel kaufen Markus Wild: Nietzsches Perspektivismus37
- | Kapitel kaufen Niko Strobach: Realität und Metaphorik der Perspektive61
- | Kapitel kaufen Holm Tetens: Die Wahrheit ist nicht relativ, aber die Welt ist aspektisch. Über die Vereinbarkeit von Realismus und Perspektivismus77
- | Kapitel kaufen II. So – und anders verstehen. Hermeneutischer Perspektivismus93
- | Kapitel kaufen David Weberman: Hermeneutischer Perspektivismus. Warum er durchaus Raum für wahrheitsbezogene Kriterien lässt95
- | Kapitel kaufen Andreas Mauz: Eins, zwei, viele. Perspektivität und Multiperspektivität zwischen Narratologie und Hermeneutik113
- | Kapitel kaufen Johanna Breidenbach: Das Gebet als Perspektivenwechsel. Zum Umgang mit zweideutigen Blicken und dunklen Bildern153
- | Kapitel kaufen III. Konflikte und Dilemmata. Perspektivismus aus ethischer Sicht183
- | Kapitel kaufen Véronique Zanetti: Moralische Dilemmata, schmutzige Hände und Kompromisse185
- | Kapitel kaufen Anton Leist: Wertepluralismus als offenes Spiel211
- | Kapitel kaufen Christine Abbt: Mit anderen Augen. Zum Verhältnis von Perspektivität und Pluralismus aus differenzanalytischer Sicht243
- | Kapitel kaufen Dieter Thomä: Perspektivismus und politische Störung. Überlegungen im Anschluss an Friedrich Nietzsche und John Stuart Mill263
- | Kapitel kaufen Angaben zu den Autorinnen und Autoren287
„ein sehr bedeutender Beitrag zur Philosophie, an dem niemand, der zum Perspektivismus oder benachbarten Themen, Realismus und Relativismus, arbeitet, vorbeikommen kann. Man lernt durch gut aufeinander abgestimmte Aufsätze – die zusammen eine Mischform aus theoretischen Überlegungen zum Perspektivismus und angewandtem Perspektivismus bilden – sukzessiv neue interessante Aspekte der Perspektivität kennen: Die Lektüre kann insgesamt sicher sehr empfohlen werden.“
Michael Lewin in Philosophische Rundschau 68/1, S. 63-69.