In der "Entscheidenden Abhandlung" (1179) verteidigt Averroes das Recht der Philosophie gegen den Einspruch der Theologie (al-Ghazali) unter Bezugnahme auf den Koran. Die vorliegende zweisprachige Ausgabe bietet die erste deutsche Übersetzung dieses brisanten Textes aus dem arabischen Original - mit einem ausführlichen Kommentar.
Der Trakat "Fasl al-maqal", entstanden um 1179, nimmt im Werk des Averroes (1126-1198) eine Sonderstellung ein. Anders als seine Kommentare zu Platon und Aristoteles, die philosophischer Natur sind und besonders im lateinischen Mittelalter große Wirkung entfalteten, hatte Averroes diese Schrift schon bei deren Abfassung nicht für die Zwecke einer Publikation verfertigt, sondern zum alleinigen Zweck der Selbstvergewisserung über die Rechtmäßigkeit seiner Überzeugung, die philosophische Betrachtung der Welt sei mit den Vorschriften des Koran nicht nur vereinbar, sondern werde den Denkenden vom Koran sogar als Pflicht auferlegt.
In seiner Verteidigung der Freiheit des philosophischen Denkens gegen die entgegengesetzten Tiraden des damals wirkmächtigsten Gegners der Philosophie in der Welt des Islam al-Ghazali (1058-1111) beruft sich Averroes jedoch nicht auf philosophische Argumente - sondern auf eine strikt juridische Ableitung des Rechts auf philosophische Einsicht aus den Vorschriften des Korans.
Die Bedeutung des "Fasl al-maqal" für ein angemessenes historisches Verständnis des wechselseitigen Verhältnisses zwischen Religion und Philosophie (oder: Ideologie und Vernunft) im Denken des Islam ist immens und die Auseinandersetzung mit diesem Text bietet - wie der Herausgeber dieser zweisprachigen Ausgabe in seiner fundierten Einleitung und dem beigegebenen Kommentar prägnant herausstellt - große und erhellenden Chancen für einen klügeren und kompetenteren Diskurs in den aktuellen Debatten über das Pro und Contra der Möglichkeit oder Unmöglichkeit einer Vermittlung der Aufgeklärtheit des westlichen Denkens mit dem Denken des Islams.
Diese bei Felix Meiner verlegte Ausgabe, die neben dem deutschen den arabischen Text enthält, ist eine editorische Glanzleistung in jeder Hinsicht.
Neue Zürcher Zeitung (20. Juli 2010)
Die weiteren Argumentationsformen, die Averroes der islamischen Tradition entnimmt, werden von Schupp in aller wünschenswerten philologischen und philosophischen Klarheit aufgelistet. Zudem gibt es einen klugen Kommentarteil, ein Register der Spezialbegriffe, deren ausführliche Erläuterungen keine Wünsche offen lässt. [...] Schupps Edition sollten alle zur Hand nehmen, die sich nicht mit den einfachen Botschaften zum Islam zufrieden geben. Sie ist ein gutes Stück alter, das heißt bester Aufklärungsarbeit.
Die Zeit, 27.08.2009
Jede/r, der/die um die Hintergründe der andauernden Debatten und Konflikte in der islamischen Welt weiß und sich den zu kurz gegriffenen Erklärungsmodellen der kolonialen Vergangenheit verweigert, wird sich über diese äußerst verdienstvolle Studie freuen. Man kann dem Herausgeber, Franz Schupp, nur unendlich dankbar sein, dass er sich dieser entsagungsvollen Arbeit von historischer Einleitung und kritisch-sprachwissenschaftlich aufgearbeiteter Übersetzung dieses zentralen philosophischen Textes des in mehrfacher Hinsicht westlichsten arabisch-muslimischen Denkers unter islamischer Herrschaft unterzogen hat. Die Sorgfalt und Akribie wird unterstrichen durch die Tatsache, dass Schupp den gesamten Text mit einem arabischen Linguisten, Herrn Abdu as-Sattar Kamaleddin Ahmed aus Ägypten, Wort für Wort in mehreren Wochen durchgearbeitet hat, um die gesamte Übersetzung, verbliebene Fragen des Satzbaus und der Bedeutung einzelner Fachbegriffe zu klären. Abgerundet wird das Werk durch den ergänzenden Anhang der Definitionen einschlägiger arabischer Sachbegriffe (in Umschrift), Literaturverzeichnis, einem äußerst hilfreichen Wörterverzeichnis und Namens- und Sachverzeichnis am Schluss. Aufgrund der Zweisprachigkeit und der ausführlichen historischen Einleitung ist diese Studie auch für Nichtarabisten und andere Wissenschaftler ein vorzüglich geeignetes Werk. Sie sollte in keiner wissenschaftlichen Bibliothek fehlen.
Assia Maria Harwazinski auf www.sehepunkte.de, Juli 2010
Die Ausgabe von Franz Schupp, der bis 2002 an der Universität Paderborn Philosophie lehrte und auf der Basis seiner Vorlesungen eine erfolgreiche Philosophiegeschichte publizierte, ist eine große Leistung. [...] Schupps Ausgabe ist als Hilfsmittel unschätzbar; sie bietet nicht nur den arabischen Text mit einer genauen deutschen Übersetzung (die bewußt die Sprödigkeit des Originals erhält), sondern auch wertvolle weitere Dienstleistungen [...] Sehr hilfreich ist nicht zuletzt auch der Anhang [...] Ein Namensverzeichnis und ein deutschsprachiges Sachverzeichnis runden den Band ab, der so mustergültig ist, wie er nur sein kann.
Informationsmittel (IFB) : digitales Rezensionsorgan für Bibliothek und Wissenschaft
Für ein gleichermaßen tiefer gehendes und vielleicht sogar historisch-philologisches Interesse drängt sich allerdings dann doch die Übersetzung Schupps auf - insbesondere wegen ihres unschätzbaren Vorteils, dem Leser neben der Übersetzung auch eine Edition des arabischen Originaltextes bereitzustellen.
Philosophische Rundschau 59,1 (2012)
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