Das Interesse der Vernunft

Dem Kantischen Projekt der Vernunftkritik liegt eine "ursprüngliche Einsicht" zugrunde, die schrittweise zu einer begrifflichen Klärung gelangt. Von dieser These ausgehend entwickelt Axel Hutter ein neues Verständnis des systematischen Gesamtzusammenhangs der transzendentalphilosophischen Hauptwerke.
Er nimmt dabei Kants bislang auch wenig beachteten Begriff eines Interesses der Vernunft zum Leitfaden. Denn der Sinn einer wahrhaft autonomen Vernunft ist für Kant durchaus nicht der, von jedem Interesse frei zu sein, sondern der, dem eigenen Interesse folgen zu können, und zwar ungehindert durch vernunftfremde Motive, die überhaupt nur deshalb mit Grund "fremd" genannt werden können, weil die Vernunft ein eigenes Interesse kennt.

Kants ursprüngliche Einsicht besteht für Hutter darin, daß allein der Mensch (das "Zwischenwesen" par excellence) ein Inter-Esse zu entwickeln vermag: Ein reines Naturwesen kennt nur sinnliche Bedürfnisse, ein reines Vernunftwesen hingegen weder Bedürfnis noch Interesse. Von hier aus ergibt sich der für die Transzendentalphilosophie grundlegende Begriff eines spezifisch menschlichen Vernunftinteresses und einer in sich differenzierten Vernunfteinheit.

Über diesen in sich differenzierten Vernunftbegriff verfügt Kant allerdings noch nicht in der "Kritik der reinen Vernunft". Der philosophischen Revolution, die zur ersten Kritik führt, muß daher eine mindestens ebenso radikale Revolution zur Seite gestellt werden, die über die "Kritik der reinen Vernunft" hinaus zur "Kritik der praktischen Vernunft" und zur "Kritik der Urteilskraft" führt. Kants ursprüngliche Einsicht entfaltet sich dergestalt schrittweise in der Reihe seiner transzendentalphilosophischen Hauptwerke - eine Gedankenentwicklung, die Hutter detailliert nachvollzieht.

• | Kapitel kaufen InhaltsverzeichnisVII
• | Kapitel kaufen Einleitung1
• | Kapitel kaufen § 1. Die Frage nach dem Ganzen der Kantischen Philosophie1
• | Kapitel kaufen § 2. Vernunft und Verstand5
• | Kapitel kaufen § 3. Erfahrung und System11
• | Kapitel kaufen § 4. Wissenschaft und Metaphysik18
• | Kapitel kaufen § 5. Der spekulative und praktische Gebrauch der Vernunft25
• | Kapitel kaufen Erster Teil. Kants ursprüngliche Einsicht33
• | Kapitel kaufen 1. Zwischensein33
• | Kapitel kaufen § 6. Vernunft – Interesse – Philosophie33
• | Kapitel kaufen § 7. Das »höhere Bedürfnis« unserer Erkenntniskraft35
• | Kapitel kaufen § 8. Transzendentalphilosophie als Übergang41
• | Kapitel kaufen 2. Einwände49
• | Kapitel kaufen § 9. Der objektivistische Standpunkt49
• | Kapitel kaufen § 10. Der intellektualistische Standpunkt53
• | Kapitel kaufen § 11. Der kritische Weg Kants58
• | Kapitel kaufen 3. Interessen der Vernunft64
• | Kapitel kaufen § 12. Erkenntnisinteresse und Handlungsinteresse64
• | Kapitel kaufen § 13. Horizonte des Menschen72
• | Kapitel kaufen § 14. Natur und Freiheit78
• | Kapitel kaufen § 15. Die Entwicklung des transzendentalphilosophischen Ansatzes87
• | Kapitel kaufen Zweiter Teil. Die transzendentale Vernunftkritik93
• | Kapitel kaufen 1. Kritik des spekulativen Vernunftgebrauchs93
• | Kapitel kaufen § 16. Sein und Sollen93
• | Kapitel kaufen § 17. Können97
• | Kapitel kaufen § 18. Das menschliche Erkenntnisvermögen100
• | Kapitel kaufen § 19. Zum Streit der Kant-Deutungen108
• | Kapitel kaufen § 20. Irrtum112
• | Kapitel kaufen § 21. Die Spontaneität der Synthesis119
• | Kapitel kaufen § 22. Die Freiheit der Urteilskraft124
• | Kapitel kaufen 2. Kritik des praktischen Vernunftgebrauchs127
• | Kapitel kaufen § 23. Übergang127
• | Kapitel kaufen § 24. Gesetz, Abweichung und Maxime133
• | Kapitel kaufen § 25. »Von dem Interesse der Vernunft bei diesem ihrem Widerstreite«140
• | Kapitel kaufen § 26. Sollen: technische und moralische Praxis146
• | Kapitel kaufen § 27. Der Primat der praktischen Vernunft150
• | Kapitel kaufen § 28. Die Natur des Verstandes155
• | Kapitel kaufen § 29. Leben – Vernunft – Person160
• | Kapitel kaufen 3. Kritik der Reflexion167
• | Kapitel kaufen § 30. Reflektierter Übergang167
• | Kapitel kaufen § 31. Die voll entfaltete Architektur der Erkenntnisvermögen169
• | Kapitel kaufen § 32. Zwei Formen der Urteilskraft und der Selbsterhaltung173
• | Kapitel kaufen § 33. Drei Stellungen zur Natur177
• | Kapitel kaufen § 34. Die »Chiffreschrift« des Naturschönen182
• | Kapitel kaufen § 35. Reflexionsstufen186
• | Kapitel kaufen § 36. Was heißt: sich am »Interesse der Vernunft« orientieren?190
• | Kapitel kaufen Danksagung195
• | Kapitel kaufen Angeführte Literatur197
• | Kapitel kaufen Personenverzeichnis203
• | Kapitel kaufen Begriffsverzeichnis205
• | Kapitel kaufen Stellenverzeichnis213

»Ein Werk, das noch einmal vorführt, was unter deutschem Tiefsinn im Guten wie im Schlechten zu verstehen ist.«
Neue Zürcher Zeitung vom 13. März 2004