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Zeitschrift für Kulturphilosophie 2008/1: Interkulturalität


Zeitschrift für Kulturphilosophie (ZKph) 2008/1. 2008. 180 Seiten.
2366-0759. eJournal (PDF)
DOI: https://doi.org/10.28937/ZKph-2008-1
EUR 44,00


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Abstracts


Tilman Borsch: „Der Begriff der Philosophie im Spiegelkabinett der Kulturkomparatistik“


An drei exemplarischen Fällen von interkultureller Begegnung in der Philosophie werden unterschiedliche Modelle der Wahrnehmung fremden Denkens und entsprechende Gegenpositionen der anderen Seite kritisch diskutiert: 1. das autozentrische Modell, das fremdes Denken als unreife Vorstufe des eigenen wahrnimmt (Bsp. Hegel), 2. das Leistungsvergleichsmodell, das Stärken und Schwächen der verschiedenen Traditionen gegeneinander verrechnet (Bsp. Leibniz), 3. das Modell wissenschaftliches vs. mythisches Denken (Bsp. Fr. Schlegel), das den Wert philosophischer Äußerungen an die Einhaltung bestimmter Formen der Darstellung bindet.


Three exemplary models of how philosophical thinking is defined in the encounter with different cultures are critically discussed: 1. the self-centred model, in which other cultures are seen as preliminary stages of one’s own way of thinking, 2. the competitive model, which calculates different traditions according to comparitve strengths and weaknesses, 3. the model of philosophy based upon the distinction between scientific and mythical ways of thinking, and which determines the value of philosophical assertions by reference to the employment of specific methods of representation.


Sarhan Dhouib: „Zur Kritik der Kultur in der arabisch-islamischen Philosophie der Gegenwart“


In der gegenwärtigen arabisch-islamischen Philosophie werden zunehmend kulturund identitätskritische Ansätze diskutiert. Deren Paradigmen lassen sich an den Werken des marokkanischen Philosophen Mohammed cAbid al-Garibis exemplarisch studieren. Sie reflektieren, wie eng das Problem der Identität mit der Frage nach dem „Erbe“ der arabisch-islamischen Philosophie verknüpft ist. Diskutiert wird al-Garibis Ablehnung der ahistorischen Interpretationen der religiösen, der orientalischen und der marxistischen Salafiyya und inwieweit seine Kritik an diesen Strömungen auf einer rationalen Aktualisierung der Kritik der arabisch-islamischen Kultur beruht. Abschließend nimmt der Aufsatz die Grundideen seiner Kritik der „arabischen Vernunft“ und seiner Reformulierung des Rationalismus in den Blick und sucht zu erweisen, daß al-Gabiris Rekurs auf Averroes einen möglichen Weg aus der geistigen Krise in den arabisch-islamischen Gesellschaften öffnet.


In contemporary Arab-Islamic philosophy there is increasing interest in the criticism of conceptions of culture and identity. The paradigms of these criticisms can be studied in an exemplary way in the works of the Moroccan philosopher Mohammed cAbid al-Garibi. They reflect the close relationship between the problem of identity and the question of the „heritage“ of Arab-islamic philosophy. The topics discussed include al-Garibi’s rejection of the ahistorical interpretations of the religious, orientalistic, and Marxist Salafiyya and the extent to which his criticism of these intellectual currents is based upon a rational revival of the critique of Arab-islamic culture. Finally, the essay considers the basic ideas of a critique of „arabic reason“ and its reformulation of Rationalism and seeks to show that al-Gabiri’s return to Averroes opens up a new way out of the intellectual crisis in Arab-islamic societies.


Kiran Desai-Breun: „Warum fehlt es seit der Neuzeit an einer lebendigen indischen philosophischen Tradition?“


Die Auffassung innerhalb der interkulturellen Philosophie, es gebe Philosophie in allen Kulturen, läßt sich in Bezug auf das indische Denken nicht halten. Seit der Neuzeit fehlt es an einer lebendigen indischen philosophischen Tradition. Auf dem Hintergrund einer Rekonstruktion der Logik der Negation in den klassischen Texten des indischen Denkens fragt der Aufsatz nach den Ursachen des Abbrechens dieser Tradition. Gezeigt wird, daß diese Ursachen in einer bestimmten Dialektik der Selbstaufhebung der Vernunft und in der Abhängigkeit des philosophischen Denkens von der religiösen indischen Tradition zu suchen sind.


The view in intercultural philosophy that there is philosophy in all cultures, does not hold in relation to Indian thought. Since modern times a vibrant Indian philosophical tradition has been lacking. Against the background of a reconstruction of the logic of negation in the classical texts of Indian thought, the essay asks for the causes of the end of this philosophical tradition. It shows that its causes can be found in a dialectic of the self-repeal of reason and in the dependence of Indian philosophical thinking upon religious tradition.


Rolf Elberfeld: „Forschungsperspektive ›Interkulturalität‹. Transformation der Wissensordnungen in Europa“


Im 20. Jahrhundert haben sich die europäischen Wissenschaften in verschiedener Weise darum bemüht, postkoloniale Wissensformen zu entwickeln. Unter Stichwörtern wie „interkulturell“, „multikulturell“ und „transkulturell“ entwickelten sich seit den zwanziger Jahren in den USA und in Europa Diskurse, in denen bis heute neue Perspektiven und Strukturen der Wissenschaften entwickelt werden. Der Aufsatz liefert zum einen eine Diskursanalyse der drei genannten Stichwörter bis 1980 und verdeutlicht beispielhaft an ausgewählten Wissenschaften, wie komplex und tiefgehend die Herausforderungen für die Wissensdiskurse in Europa im Rahmen der Forschungsperspektive „Interkulturalität“ noch immer sind.


In the 20th century the European sciences have tried in different ways to develop post-colonial forms of knowledge. Since the 1920s, under headings such as „intercultural“, „multicultural“ and „transcultural“, discourses have arisen in the USA and in Europe in which, until the present, new perspectives and structures in the sciences have developed. The article offers, on one hand, a discourse analysis of these three headings until 1980 and makes clear by way of examples how complicated and deep the challenges are for knowledge discourses in Europe within the scope of the research perspective of „interculturality“.


Burkhard Liebsch: „Das menschliche Selbst in Geschichte und Gegenwart. Eine Bilanz der ›Hermeneutik‹ Foucaults“


Dieser Aufsatz rekonstruiert Foucaults Vorlesungen über die „Hermeneutik des Selbst“ als Kritik der Selbsterkenntnis und als Versuch, mit Bezug auf Kant eine zeitgemäße Lebensform der Sorge um sich wieder zur Geltung zu bringen, die laut Foucault vor allem durch die cartesianische Philosophie verschüttet worden ist. Die kritische Auseinandersetzung mit diesem „anachronistischen“ Versuch einer Hermeneutik des Selbst konzentriert sich auf das Problem, ob und wie sich diese Philosophie in der Gegenwart auf die Frage besinnen muß, was oder wer wir sind.


This essay reconstructs Foucault’s lectures on the „Hermeneutics of the Self“ as a critique of the Cartesian model of self-knowledge and as an attempt to rehabilitate, with reference to Kant, a form of life centered on the own self. Critical evaluation of this „anachronistic“ version of the hermeneutics of the self focuses on the issue of how this philosophical approach to the self can or should confront the question what and who we are.


Ernst Wolfgang Orth: „Ernst Bloch und Ernst Cassirer. Die Kultur als dynamischer Bedeutungsraum des Menschen“


Ernst Cassirer und Ernst Bloch werden unter dem Gesichtspunkt der Kulturphilosophie zum Gegenstand einer philosophischen Komparatistik, die nicht nach möglichen gegenseitigen Einflüssen, sondern nach systematischer Vergleichbarkeit fragt. Dabei kann der Blochsche Materialismus wie Cassirers Philosophie der symbolischen Formen als eine Art der Medienphilosophie gelesen werden, wenn man „Medium“ als Dimension einer Sinnbildung begreift. Vor diesem Hintergrund thematisieren Cassirer und Bloch mit unterschiedlichen Mitteln jeweils die Medialität der Kultur.


Ernst Cassirer and Ernst Bloch are considered from the standpoint of the philosophy of culture as the object of comparative study. Instead of considering possible mutual correlative influences, their work is considered with regard to a possible systematic comparison. Bloch’s Materialism, like Cassirer’s Philosophy of symbolic Forms, can be read as a kind of philosophy of media, if we take „medium“ to mean the dimension in which meaning is generated. Against this background Cassirer and Bloch make use of different means to thematize the mediality of culture.


Teruaki Takahashi: „Auslandswissenschaft und kontrastive Kulturkomparatistik“


Im Kontext der Kontroversen um „Globalisierung“ und „Multikulturalität“ kommt der kontrastiven Kulturkomparatistik die Aufgabe zu, interkulturelle Kommunikation zu fördern und zum Erfolg interkultureller Verständigung beizutragen. Das hier diskutierte Modell kontrastiver Kulturkomparatistik beansprucht, auf jede mögliche „Auslandswissenschaft“ angewandt werden und den Geisteswissenschaften interkulturelle Orientierung geben zu können.


In the context of the controversies surrounding „globalisation“ and „multiculturality“ the comparative study of cultures has the task of aiding intercultural communication and of contributing to the success of intercultural understanding. The model of contrastive cultural comparison discussed here is claimed to have applacibility to every possible study of other countries („Auslandswissenschaft“) and to be able to provide the Geisteswissenschaften with an intercultural orientation.


Christian Wevelsiep: „Zum Begriff des Vorpolitischen bei Arendt und Schmitt“


Der Begriff des Vorpolitischen, der mit dem „liberalen“ Vokabular in Anschlag zu bringen ist, geht auf zwei politische Ideengeber zurück, die entlang sehr unterschiedlicher politischer und normativer Konzeptionen für eine radikale Infragestellung des rationalistischen sowie des teleologischen Politikbegriffs gesorgt haben: bei Hannah Arendt mit totalitarismuskritischer, bei Carl Schmitt mit dezisionistischer Zielsetzung. Beide politiktheoretischen Ansätze sollen hier zur Sprache kommen, wobei das Ziel des vorliegenden Ansatzes aber weniger in einem möglichen Theorienvergleich liegt als vielmehr darin, das Motiv des vorpolitischen Interesses in seiner Bedeutung für den Begriff des Politischen herauszuarbeiten.


The concept of the pre-political, which fits with the „liberal“ vocabulary, has its origin in two political thinkers, who, following very different political and normative conceptions, contributed to the radical questioning of rationalistic and teleological concepts of politics. Hannah Arendt was a critic of totalitarianism, Carl Schmitt affirmed the decisionist setting of aims. Both approaches are considered in this article. The aim of the essay is not so much to compare their conceptions as rather to expose the meaning of the notion of the pre-political for the concept of the political.