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Über empathischen Möglichkeitssinn und andere komische Formen der ethischen Selbstverständigung am Beispiel von Toni Erdmann


Zurück zum Heft: Zeitschrift für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft Band 63. Heft 1
DOI: https://doi.org/10.28937/1000108132
EUR 16,90


Im Ausgang von der anf änglichen Frage, welche Formen der Empathie zu den Produktionsbedingungen einer gelingenden Komödie gehören, wird zunächst argumentiert, dass Komik generell ›kulturelle Empathie‹ voraussetzt, d.i. ein Gespür dafür, welche Erwartungen und emotionalen Reaktionen bestimmte Themen und situative Konstellationen auslösen werden. Situationskomik und insbesondere die Komik peinlicher familiärer Situationen werden darauf zurückgeführt, dass wir uns sowohl empathisch in die Gefühle und die Peinlichkeit der Lebenslage der Protagonisten hineinversetzen können als auch gleichzeitig selbst die unbeteiligte Perspektive des Beobachters einnehmen. Anschließend untersucht der Beitrag die Filmkomödie Toni Erdmann als Sonderfall einer Wiederverheiratungskomödie, die selbst eine Reflexion über Empathie darstellt. Es wird gezeigt, dass die Form von Empathie, die der Protagonist im Zusammenhang des für die Wiederverheiratungskomödie charakteristischen Erziehungsprozesses für die Protagonistin Ines aufbringt, nicht als ein Sichhineinversetzen in die wirklichen Gefühle oder die Lebenslage von Ines verstanden werden kann – in dieser Hinsicht erscheint er auf komische Weise empathiefrei. Toni Erdmanns Empathie zielt vielmehr auf ihre das eigene verengte Selbstverständnis transzendierenden Möglichkeiten und somit auf ihre Freiheit. Starting from the initial question which forms of empathy are included in the making of a comedy, it is argued that comedy requires ›cultural emphathy‹, i.e. a clear sense of what expectations and reactions would be triggered among the public by certain topics and performances. The comic effects of slapstick and other forms of situational comedy in association with family configurations are attributed to our capacity to put ourselves into the awkward situations of the protagonists and, at the same time, to adopt the perspective of the uninvolved spectator. Subsequently the film comedy ›Toni Erdmann‹ is examined as a special case of remarriage comedy which represents a reflection upon empathy. It is argued that the protagonist Winfried, in the context of the process of education which is typical for remarriage comedies, does not feel emphathy for the protagonist Ines with regard to her actual feelings and living conditions (on the contrary, some comical effects derive from his refusal of empathy). His emphathy is rather directed towards those of her possibilities and capacities which transcend her actual image of herself; in other words, it is directed towards her freedom.