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Der kalt erwiderte Blick

Oscar Wilde, die Nebensächlichkeit der Kunst und das Unästhetische der Existenz


Back to issue: Zeitschrift für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft Band 67. Heft 2
DOI: 10.28937/9783787343669_4
EUR 16.90


Oscar Wilde reagiert auf die missliche Lage der Kunst angesichts eines zunehmend blasierten Publikums. Er vertauscht die Rollen und setzt seine Kunst als Rezeption derer an, die ehemals die Rezipienten waren – gemäß dem Topos vom ›sehenden
Kunstwerk‹ (Früchtl). Wilde zu rezipieren heißt allererst, sich rezipiert zu wissen. Wilde blickt kälter zurück, als er oder seine Kunst angeblickt werden könnten. Als angeblicktes wird das Publikum unversehens selbst in die Position des Kunstwerks versetzt. Es sieht sich mit ästhetischen Erwartungen konfrontiert, denen es aus systematischen Gründen nicht gerecht werden kann. Die Existenz zu ästhetisieren heißt, sie zu desavouieren. Wilde erzieht auf diese Weise nicht sein Publikum, er erzieht hin zum Publikum. Dem Publikum soll nichts Besseres passieren können, als Publikum zu bleiben. Der kalte Blick ist ihm als Amoralismus ausgelegt worden. Doch Wilde taugt nicht als Beispiel dafür, dass selbst moralisch Verwerfliches ästhetisch legitim sein kann. Er führt stattdessen vor Augen, dass das Ästhetische weitaus weniger erlaubt als das Ethische. Unethisches verbietet sich schon – und nur – ästhetisch.