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Anthropozän

Eine Megamakroepoche und die Selbstbeschreibung der Gesellschaft


Zurück zum Heft: ZMK Zeitschrift für Medien- und Kulturforschung 5/2/2014: Synchronisation
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Die Hypothese eines neuen Erdzeitalters, des »Anthropozän«, wird seit ihrer Postulierung durch den Chemiker und Nobelpreisträger Paul Crutzen im Jahr 2000 intensiv diskutiert. Der Beginn des Anthropozän wird zumeist um 1800 datiert und in einen Zusammenhang mit der Industrialisierung gestellt. Seither, so die These, ist die Menschheit zu einer quasi geologischen Kraft und sind menschliche Infrastrukturen zum wichtigsten Einflussfaktor auf die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse auf der Erde geworden. Christian Schwägerl und Reinhold Leinfelder führen in ihrem Beitrag Argumente und Beispiele für die langfristigen Veränderungen und für die »Reorganisation des gesamten Erdsystems« an, welche die These vom Anthropozän und der »menschgemachten« Erde stützen. In ihrem Beitrag widersprechen sie dem vorschnellen Eindruck, es handle sich bei der Idee einer neuen geologischen Erdepoche nur um einen neuen Sammelbegriff für all das, was als Umweltproblem gilt. Vielmehr betonen die Autoren auch das Potential des Menschen und seiner Technologien zur positiven Gestaltung seines Lebensraums und zur Transformation der Erde. Sie verstehen das Anthropozän nicht nur als rein physische Zustandsbeschreibung, sondern auch als gesellschaftliche Herausforderung und als Forschungsauftrag. Niels Werber setzt in seinem Beitrag an der Frage der notorischen Epochenbildung um 1800 an und kritisiert, dass der Anthropozän-Diskurs sich allein auf die vermeintliche Evidenz naturwissenschaftlicher, vor allem geologischer Daten und Zahlen verlassen würde und ausgerechnet für die Plausibilisierung des Zeitalters des Menschen Kenntnisse über den Menschen, seine Sozialordnung und Kultur offenbar nicht nötig seien. Stattdessen fordert Werber im Anschluss an Niklas Luhmann dazu auf, die Anthropozän-Hypothese als einen Beitrag zur »Selbstbeschreibung der Gesellschaft«, das heißt zur Beschreibung der Einfügung des Menschen und seiner Gesellschaft in die Welt zu verstehen.
The hypothesis of a new geological era, the »Anthropocene«, is discussed intensively since its presentation by the chemist and Nobel Prize winner Paul Crutzen in 2000. The beginning of the Anthropocene is usually dated to 1800 and put into the context of the industrialization. Since then, according to Crutzen, mankind has become a quasi-geological force and human infrastructures have developed into a primary influence on the biological, geological and atmospheric processes on Earth. In their contribution, Christian Schwägerl and Reinhold Leinfelder present examples of the long-term changes and arguments for the »reorganization of the entire Earth system«, supporting the thesis of the Anthropocene and the »man-made« Earth. In their article they contradict the premature impression that the Anthropocene is nothing but a new umbrella term for everything that is considered an environmental problem. Rather, the authors emphasize the potential of man and his technologies for the positive design of his habitat and the transformation of the earth. They understand the Anthropocene not only as a description of a purely physical state, but also as a social and scientific challenge. Niels Werber puts in his contribution the notorious epoch threshold 1800 in question. Furthermore, he criticizes that the discourse of the Anthropocene relies solely on the supposed evidence of science, especially of geological data and figures, and thus neglects in its effort to describe a »geological age of mankind« precisely the emerging knowledge of man, social order and culture. Instead, Werber understands the »Anthropocene« as a contribution to the »self-description of society,« i.e. to a possible integration of mankind and society into the world.